Ein im Oktober 2009 im Landkreis Gifhorn, Niedersachsen besendeter Rothirsch hat einen außergewöhnlichen Rekord aufgestellt: Über 100 Kilometer Luftlinie legte der zweijährige Hirsch auf seiner Wanderung gen Osten zurück vergleichbare Distanzen sind in Deutschland bislang nicht nachgewiesen. Das Institut für Wildtierforschung (IWFo) und die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) nehmen dies zum Anlass um auf die Notwendigkeit von Querungshilfen und großräumiger Wildbewirtschaftung hinzuweisen.
Rotwild ist eines unser größten heimischen Säugetiere, sein Raumanspruch ist um ein vielfaches höher als bei anderen Wildarten, wie zum Beispiel dem Rehwild, so Reinhild Gräber, Projektbetreuerin der Rotwildstudie am Institut für Wildtierforschung. Querungshilfen über vielbefahrene Straßen, besonders an historischen Rotwildwechseln, seien wichtig, um eine Vernetzung der Teilpopulationen und somit einen weitläufigen Genaustausch zu ermöglichen, so Gräber weiter. Historische Rotwildwechsel existieren unter anderem zwischen dem östlichen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Durch die innerdeutsche Teilung unpassierbar geworden, sind sie unmittelbar nach dem Mauerfall wieder angenommen worden.
Der im Oktober besenderte Rothirsch ist Teil eines Forschungsprojekts zum Rotwild das am Institut für Wildtierforschung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule in Hannover seit dem Jahr 2006 durchgeführt wird. Ziel dieses Projektes, das aus Mitteln der Jagdabgabe des Landes Niedersachsen und privaten Sponsoren finanziert wird, ist es exakte Daten über die besonderen Lebensgewohnheiten des Rotwildes einschließlich ihrer klein- und großräumigen Wanderungen zu erhalten.
Darüber hinaus sollen über die räumlich genauen Informationen zum Raum-Zeit-Verhalten von sendermarkiertem Rotwild die Konfliktpunkte mit Straßenführungen lokalisiert werden. So werden zum Beispiel für den Bau der A39 im Großraum Gifhorn- Wolfsburg-Lüneburg, anhand der telemetrischen Erkenntnisse hinsichtlich der großräumigen Wanderungsbewegungen des Rotwildes, in Zusammenarbeit mit der örtlichen Jägerschaft, effektive Vorschläge für die Trassenführung und Wildquerungshilfen (z.B. Grünbrücken) unterbreitet.