Das Interview mit LJN-Präsident Helmut Dammann-Tamke führte NJ-Redaktionsleiter Benedikt Schwenenen.
Niedersächischer Jäger (NJ): Herr Dammann-Tamke, Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hat jüngst die Abschussgenehmigung für den „Leitrüden“ des Rodewalder Rudels im LK Nienburg erteilt. Wie bewertet die Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. diese Entscheidung?
LJN-Präsident Helmut Dammann-Tamke (HDT): Diese Entscheidung ist sicher richtig. Das Umweltministerium hat diese artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach eigener Auskunft nach Auswertung und Prüfung der Vielzahl von Nutztierissen, bei denen der Rüde nachweislich alle empfohlenen Schutzmaßnahmen überwunden hat, getroffen. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese einzelne Abschussgenehmigung ausreichend ist.
NJ: Sie meinen?
HDT: Die Erteilung der Ausnahmegenehmigung für den Abschuss des Rüden ist die richtige Entscheidung. Klar ist aber auch, die Welpen des Rudels sind nunmehr etwa 9 Monate alt. Zeit genug, dass der Rüde seine Jagdstrategie bereits an sie weitergegeben hat. Das muss zwar nicht sein, aber niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass nach erfolgter Tötung von GW717m automatisch und dauerhaft die Nutztierisse in der Region aufhören. Ich habe bereits in der Vergangenheit gesagt, in Fällen wie dem des Rodewalder Rudels muss und sollte auch die Tötung des gesamten Rudels eine Option sein.
NJ: Minister Lies hält sich sehr bedeckt bei der Frage wer den Abschuss denn tätigen soll – hat er die Landesjägerschaft um Mithilfe gebeten?
HDT: Wir sind mit dem Umweltminister beim Thema Wolf im regelmäßigen Austausch. Anders als sein Vorgänger vertraut der Minister nicht nur den Zahlen unseres Monitorings, sondern sieht in uns beim Thema Wolf auch in anderen Fragen, wie z.B. denen des Managements den richtigen Ansprechpartner. Und ja, es hat auch in diesem konkreten Fall Gespräche gegeben. Wir haben ihm die Unterstützung zugesichert, die wir als Verband Landesjägerschaft geben können, da geht es zunächst um ganz einfache praktische Fragen: Der Zugang in die Reviere, Ortskenntnisse, die Nutzung jagdlicher Infrastrukturen wie Hochsitze etc.
NJ: Sicher, das sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg einer solchen Mission, aber wer übernimmt diese Aufgabe denn jetzt – Jäger oder Sondereinsatzkommando?
HDT: Die Entscheidung von Minister Lies, die genauen Abläufe der Umsetzung aus der Öffentlichkeit raus zuhalten ist genau richtig. Wir alle erinnern die öffentlichen Debatten und mitunter auch Entgleisungen die es im Fall MT6 gab. Da wurden seitens radikaler so genannter Wolfsschützer Unbeteiligte öffentlich und in den sozialen Medien an den Pranger gestellt – da ging wirklich jegliches Maß verloren. Ich bitte daher um Verständnis, dass es auch von uns zum konkreten Verfahren keine Detailauskünfte gibt. Dem Umweltminister stehen eine Reihe von Optionen zur Verfügung – es gibt ja auch ausreichend Landesbedienstete mit Jagdschein, die einen solchen Auftrag erfüllen könnten: Förster, Nationalparkangestellte oder eben wie im Fall von MT6 Polizeibeamte.
NJ: Die Antwort lässt viel Interpretationsspielraum, konkret: Was rät die Landesjägerschaft ihren Mitgliedern, so das Umweltministerium die Jägerschaft um aktive Mithilfe, also den Abschuss, bittet?
HDT: Das muss am Ende des Tages natürlich jeder Einzelne für sich entscheiden. Wir als Landesjägerschaft haben immer wieder darauf hingewiesen, dass dem/den Jäger(n) die Wahl gelassen werden muss. Klar ist aber auch, zum jetzigen Zeitpunkt der gesellschaftlichen Debatte können und wollen wir eine solche Empfehlung, sich aktiv zu beteiligen, nicht geben. Zu radikal sind die mehr oder minder offen vorgetragenen Drohungen so genannter Wolfsschützer. An diesem Klima muss und sollte sich etwas ändern. Eine Versachlichung der Debatte ist dringend angezeigt. Dies ist leider aber auch im aktuellen Fall nicht gegeben: Da werden Offene Briefe geschrieben, Petitionen erstellt und einstweilige Verfügungen beantragt bei denen man den Eindruck hat, es geht überhaupt nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Fall sondern nur um die Emotionalisierung dieses Themas. Eine solche Polarisierung hilft niemandem auch nicht der Akzeptanz für die Tierart Wolf – ganz zu schweigen von den „Diskussionen“ in den sozialen Medien.
NJ: Und losgelöst von diesen Einzelfällen der verhaltensauffälligen Wölfe: Grundsätzlich Wolf ins Jagdrecht ja oder nein – wie ist die Position der Landesjägerschaft?
HDT: Wir haben immer gesagt, die Voraussetzungen müssen stimmen. Klar ist auch, bei einem Populationswachstum der Wölfe von jährlich etwa 30 Prozent wird, bevor die biologische Kapazitätsgrenze erreicht ist, eine gesellschaftliche Akzeptanzgrenze erreicht sein. Mit anderen Worten: Wer Natur- und Artenschutz über die Köpfe der Menschen hinweg betreibt, wird scheitern. In jüngster Zeit mehren sich die Stimmen maßgebender Politiker – neben der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner und dem niedersächsischen Umweltminister Lies auch aus den Bundesländern Brandenburg und Sachsen – die immer wieder von Regulation der Wölfe sprechen. Soll dies geschehen, kann es aus unserer Sicht nur über eine reguläre Bejagung im Rahmen des Jagdgesetzes erfolgen – nicht aber über wie immer geartete „staatliche Eingreiftrupps“. Aus unserer Sicht müssen hierfür die europa- und nationalstaatlichen Rahmenbedingungen geändert werden: Der günstige Erhaltungszustand muss von den politischen Entscheidungsträgern festgestellt werden und auf Europaebene ist die Anhangsänderung des Wolfs in der FFH-Richtlinie – von Anhang 4 in Anhang 5 umzusetzen und der Wolf ist ins Jagdrecht zu überführen.
Abdruck des Interviews mit freundlicher Genehmigung der Redaktion des Niedersächischen Jäger