Europas seltenste Gänseart im westfälischen Lippborg zu Gast

Erstmals seit Beginn der 1980er Jahre hat es ein großer Schoof handaufgezogener Zwerggänse aus einem schwedischen Artenschutzprojekt nach Deutschland geschafft. Die seltenste Gänseart Europas gastiert im Moment im westfälischen Lippborg.

Dr. Niklas Liljebäck mit einer Zwerggans.

Fliegende Zwerggänse in Formation.

(Berlin, 07. November 2017) Vor wenigen Tagen ist im Schutzgebiet Disselmersch in Lippborg ein Schoof Zwerggänse (anser arythropus) aus Schweden gelandet. Die in Europa äußerst seltenen Tiere stammen aus dem „Projekt Fjällgas“ (Projekt Zwerggans) des Schwedischen Jagdverbandes, das zum Ziel hat, den in Europa gefährdeten Wildbestand zu stützen. Innerhalb der EU-Grenzen liegt der einzig bekannte Brutplatz der Zwerggänse in Lappland in der Nähe von Arjeplog. Der schwedische Jagdverband leitet das Artenschutzprojekt im Rahmen des schwedischen Naturschutzplans. Die in Lippborg gelandeten Vögel stammen aus einer Handaufzucht, die den Wildbestand stützen sollen.

Der Projektleiter, Niklas Liljebäck (siehe Interview), freut sich über den Ausflug seiner Zöglinge: „Wenn sie nächstes Jahr ins Brutgebiet nach Lappland zurückkommen, wäre das ein Meilenstein für unser Projekt und ein riesiger Schritt vorwärts, um den Wildbestand zu stützen.“ Auch die lokale Jägerschaft hat die sehr seltenen Gäste im Kreis Soest und Warendorf bereits beobachten können. „Einmal mehr bedeutet dies für uns jetzt: Augen auf bei der Gänsejagd“, sagt Wolfgang Heins, zuständig im DJV-Präsidium für Gänsejagd. „Ein solches Projekt wird von uns als Jägerschaft voll unterstützt. Schließlich unternehmen wir einen ähnlichen Aufwand, wenn es um die Bestandsstützung bei Rebhuhn und Fasan geht.“

Die Zwerggans ist besonders auffällig durch ihre große, weiße Blässe über dem Schnabel, weshalb sie auch oft Zwergblässgans genannt wird. Mit etwas Glück sind die schwedischen Gäste aus der Beobachtungshütte Disselmersch in Lippborg zu beobachten.

 

Interview mit Dr. Niklas Liljebäck

Dr. Niklas Liljebäck ist Projektleiter des schwedischen Reintegrationsprojektes für Zwerggänse, in dem bereits hunderte Gänse per Hand aufgezogen und auf ein Leben in der Wildnis vorbereitet wurden.

24 ihrer Zwerggänse sind im Kreis Soest und Warendorf gelandet. Was bedeutet das für Sie?

Liljebäck: Das sind wahnsinnig gute Neuigkeiten! Wenn diese Vögel dort in einem Schoof zusammen bleiben und dann wieder zurückkommen, ist das ein riesiger Schritt vorwärts im schwedischen Artenschutz.

Wo fliegen die Gänse jetzt hin und was ist dort ihr Ziel?

Liljebäck: Das ist eine gute Frage. Ganz ehrlich, wir wissen es nicht. Normalerweise fliegen sie weiter in die Überwinterungsgebiete in den Niederlanden, aber eigentlich werden sie auch von einer älteren, erfahrenen Gans geleitet. Diese Vögel sind aber handaufgezogen und auf ihrem ersten Vogelzug unterwegs. Sie bleiben wahrscheinlich in der Umgebung, wenn sie gute Rastgebiete finden. Wenn nicht, fliegen sie weiter. Wenn ich richtig informiert bin, ist das Gebiet um Lippborg für Zwerggänse sehr geeignet.

Das Projekt ist Kooperationsprojekt der Jäger, die aber zumindest in weiten Teilen Asiens für den starken Rückgang der Population verantwortlich sind. Was sagen Sie dazu?

Liljebäck: Wir schwedischen Jäger haben das Projekt bereits Anfang der 1980er Jahre gestartet. Im Moment sind wir glücklich, dass unsere Gänse in die Niederlande migrieren und nicht in Richtung Osten. Ich wünsche mir, dass der Schutz dieser Art auch bald in Asien das notwendige Maß findet. Für uns Jäger bedeutet Jagd, Verantwortung für Wildtiere zu übernehmen. Wir hatten auch Projekte, in denen wir Uhu- und Otterschutz vorangetrieben haben. Ich glaube, dass uns Jägern Wildtiere mehr am Herzen liegen als den meisten Menschen auf der Welt.

 

Zwergans (anser erythropus) Steckbrief

Die Zwerggans oder Zwergblässgans, ist die seltenste Gänseart Europas. Sie wiegt zwischen 1,5 bis 2,2 kg, hat eine Flügelspannweite von 120 bis 135 cm und eine Körperlänge von etwa 60 Zentimetern. Im Flug ähnelt sie sehr stark der europäischen Blässgans (Anser albifrons), sie ist nur geringfügig kleiner, aber wesentlich dunkler im Federkleid. Im Profil ist sie klar durch die längere Blässe, die sich zwischen die Augen zieht und den gelben Augenring zu erkennen, welchen bereits die Jungvögel tragen. Ursprünglich war sie über Skandinavien hinweg über den Ural bis nach Sibirien verbreitet. In den vergangen 25 Jahren ist die Population jedoch rasant eingebrochen, auch aufgrund übermäßiger Bejagung in Russland sowie verschiedenen Ländern Ost- und Südosteuropas. In Schweden gibt es nur noch wenige Dutzend Brutpaare. Im Winter zieht die Zwerggans nach Süden und bildet dabei den für Gänse charakteristischen V-Zug. Häufig mischt sie sich in einen Schoof anderer Gänsearten. Sie ernährt sich von kurzen Gräsern und Kräutern und ist deshalb häufiger Gast auf kurzen Weiden.