Seit vielen Jahren engagiert sich die Jägerschaft Osnabrück neben anderen Organisationen bei der Rehkitzrettung. In 2021 hat die Jägerschaft mit 3 Rettungsteams und Hightech-Drohnen 126 Rehkitze vor dem Mähtod retten können, davon erstmals 3 Rehkitz-Waisen, die nach 6 Monaten erfolgreich wieder ausgesetzt werden konnten.
Die Drohnensysteme mit Kameras und hochauflösenden Wärmebildkameras sind in den letzten Jahren immer besser geworden. Mit der neuen Technik kann man mittlerweile aus 50 Meter Höhe mit etwas Übung und Erfahrung die Kitze finden. Es ist aber immer erforderlich, die Suche möglichst vor dem Sonnenaufgang durchzuführen. Sonst heizen die Sonnenstrahlen die Umgebung auf, und das Wärmeprofil des Wildkörpers hebt sich auf dem Monitor nicht deutlich genug hervor.
Neben all der Flugtechnik ist es natürlich ohne motiviertes Bodenpersonal nicht möglich, die Aktionen durchzuführen. Die Kitze müssen fixiert werden. Danach kommen sie an eine Stelle, an der nicht gemäht wird. Dafür benötigt man etwas Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Besonders hervorzuheben sind die ehrenamtlichen Helfer, die diese Aktionen vor der Arbeit durchführen, in der Regel morgens zwischen 3.00 Uhr und 8.00 Uhr. Hier zeichnet sich in der breiten Bevölkerung eine hohe Akzeptanz der Maßnahmen aus. Es gibt leider auch böse Zungen, die den Kitzretter unterstellen: Zitat: „Erst rettet ihr und dann ballert ihr sie ab.“
Weit gefehlt! Wer einmal die hässlichen Bilder eines Kitzes gesehen hat, das durchs Mähwerk gegangen ist, der denkt darüber anders. Zunächst retten wir Jäger Leben. Dann erlegen wir so viel Wild, daß ein Gleichgewicht in der Natur entsteht und ein gesunder Bestand erhalten bleibt. Hier haben wir ein hochwertiges Lebensmittel. Mehr Bio geht nicht.
Die Landwirte und Jäger haben schon immer und lange bevor die Hightech-Drohnen aufkamen, die Rehkitzrettung durchgeführt. Aber die Drohnen finden die Kitze einfach besser und schneller mit deutlich geringerem Aufwand. So sind die Erfolge in den letzten Jahren enorm gewachsen. Allein im Großraum Osnabrück sind 9 Kitzretter-Teams unterwegs, die im letzten Jahr über 1000 Kitze vor dem sicheren Mähtod retten konnten.
Die Kitzretter sind untereinander sehr gut vernetzt und helfen sich gegenseitig bei Engpässen.
Als sehr positiven Nebeneffekt dieser Aktionen gibt es auch Menschen, die sich um verwaiste Kitze kümmern. Es kommt immer wieder vor, daß eine Ricke im Straßenverkehr umkommt. Am Gesäuge kann man gut sehen, ob sie Kitze hatte. Ohne Mutter haben die Kitze keine Überlebenschance. Dann suchen die Retter mit der Drohne das Gebiet um die aufgefundene Ricke ab. Die Kitze sind meistens nicht weit vom Unfallort entfernt. Denn die Ricke entfernt sich nicht weit von ihrem Nachwuchs. Gefunden….juhu und dann?
Im Revier Stemwede/Levern gab es im letzten Frühjahr so einen Fall. Eine Ricke wurde fast vor der Haustür der Familie Reddehase überfahren. Schnell wurden zwei Kitze gefunden. Ein weiteres Waisenkind kam ein paar Tage später noch dazu. Frau Reddehase hat die Kitze sofort in eine Stallung untergebracht, alles mit Stroh ausgelegt und eine Wärmelampe darüber gehängt. Aber was müssen die Kitze für Milch haben und…. und… und? In Osnabrück gibt es eine sehr erfahrene „Kitzmama“ sie heißt Gundula Sielschott. Sie zieht jedes Jahr mehrere Waisen auf. Schnell wurde der Kontakt zwischen den beiden Damen hergestellt.
Aber so toll, wie sich das anhört, ist es gar nicht. Es ist eine Mammutaufgabe. Das war Frau Reddehase mit ihrem Mann Sven und den beiden Töchter Finja und Janne völlig klar. „Wir machen das jetzt“ war die einhellige Meinung der Familie.
Die Kitze mußten alle drei Stunden die Flasche mit warmer Ziegen- oder Lämmermilch haben. Nach einigen Wochen kamen noch Grünzeug sowie verschiedene Mineralien hinzu. Später gab es Trockenfutter für Wiederkäuer und Aufzuchtmüsli: alles gut abgewogen, damit die Tiere keine Magenverstimmung bekamen. Jeder Tag war durch die Versorgung der Tiere geprägt.
Draußen wurde ein Gehege mit Unterstand gebaut, damit die Kitze sich an die Natur gewöhnen und sie nur so viel Kontakt zu Menschen haben wie unbedingt nötig.
Die Kitze wuchsen schnell heran. Im Oktober waren sie kräftig genug zur Auswilderung. Es wurde ein Revierteil gefunden, das von zwei Flüssen eingegrenzt war. Der Straßenverkehr war dort sehr gering. Mit Hilfe einer Tierärztin wurden die Kitze leicht sediert, damit der Transport sie nicht zu sehr stresst. Die Kitze liefen in Freiheit, als wenn sie nie etwas anderes getan hatten. Bis heute haben sie sich ausgezeichnet zu Recht gefunden, stehen immer noch zusammen und haben sich den anderen Rehen angeschlossen.
Bei Familie Reddehase flossen bei der Freilassung auch Tränen. „Die gehören in die Natur“ war die einhellige Meinung der Familie und „im nächsten Jahr machen wir das wieder“.
( Text: Karl-Heinz Rauen )