Wie das Pflücken eines reifen Apfels

Warum ich Jäger bin: eine persönliche Standortbestimmung

Der Wecker klingelt, die Zeiger stehen auf 04:15 Uhr und es ist noch finstere Nacht. Gleich geht es hinaus ins Revier. „Vor Tau und Tag, durch Heide und Moor, vor Lerchenlocken und Pieperruf hinaus in die grauschwarze Dämmerung beim letzten Eulenschrei, bei Nachtwinds herbstlich-frostigem Sausen. Kein Bauer, kein Knecht, keine Magd wach im Heidedorfe...“. So hätte es Hermann Löns, unser Heidedichter, ausgedrückt. Weniger wortgewaltig beschrieben und in unsere Zeit übertragen will ich verdeutlichen, dass ich, der ich heute über 100 Jahre später die Jagd ausübe, meine Motivation noch immer aus der Verbundenheit mit der Natur und dem Gefühl, im Einklang mit ihr zu agieren, gewinne. Es hat für mich einen besonderen Reiz, mich bei noch völliger Dunkelheit, ohne die störenden Geräusche der Zivilisation, in der Natur zu bewegen und das Wild zu beobachten. Den Moment zu genießen, wenn das Farbenspiel des anbrechenden Tages das Grau der Dämmerung verdrängt und die fast greifbare Stille den ersten Vogelstimmen weicht.

Wer wie ich, fast täglich einige Stunden im Revier und damit in der Natur verbringt, ist unmittelbar in den „Kreislauf des Werdens und Vergehens“ eingebunden. Doch nur wenige Augenblicke von den vielen Wochen, Tagen und Stunden die wir Jäger im Revier verbringen, gehört dem Erlegen – der Zauber der Jagd liegt nicht im Töten – es ist der eigenartige, doch seit Menschen gedenken und von Anbeginn an vorhandene Drang, zu Jagen und eins mit der Natur zu sein. Die Jagd ist etwas spezifisch Menschliches. Sie ist nicht nur die älteste Passion der Menschheit, nein, ohne die Jagd hätte die Menschheit nicht die letzten 2,6 Millionen Jahre seit Beginn der Steinzeit überlebt, denn seit erst gut 7.000 Jahren spielen Ackerbau und Viehzucht hier in Mitteleuropa für die Ernährung eine Rolle.

Es ist also nicht verwunderlich, dass die Geschichte unserer Kultur und Technik eng mit der Jagd verbunden ist. Auch in unserer Umgangssprache finden sich eine Vielzahl von Redewendungen, die unseren Wortschatz mit bildhaften Metaphern bereichern. Ob nun von „Wind bekommen“, „auf den Busch klopfen“ oder „durch die Lappen gehen“ die Rede ist, all diese Redewendungen wurden aus dem jagdlichen Brauchtum übernommen.

So groß der Einfluss auf Entwicklung und Kultur der Menschheit auch war, die Jagd bzw. die Jäger stellen zumindest in der Bundesrepublik Deutschland eine Minderheit dar. Es gibt rund 350.000 Jäger, wenngleich die Jagd momentan eine gewisse Renaissance erlebt und die Zahl der Jagdscheininhaber wieder stetig steigt. Die Jagd ist eher auf dem Lande gesellschaftfähig. Dort wo noch alljährlich im Herbst die Treibjagden auf den Feldern stattfinden, Jagd und das jagdliche Brauchtum hautnah erlebt werden können und eine Beziehung zur Natur besteht, gehört der Jagdschein noch ebenso zum selbstverständlichen Lebensgepäck männlicher und zunehmend sogar weiblicher Nachkommen, wie der Besuch des Konfirmationsunterrichts oder das Absolvieren von Tanzschulkursen. In den Ballungszentren hingegen ist der Zeitgeist definitiv in Richtung Nitendo-Generation abgebogen. In ihr liegt die elektronische Welt mit ihren Reizen eher im Trend als das aktive Erleben in der Natur.

Ich bin froh, dieser Minderheit anzugehören, denn die Jagd bereichert mein Leben. Ich finde es nicht nur richtig, was ich tue, habe Freude daran und bringe diese auch meiner Umwelt gegenüber zum Ausdruck. Da ist es dann auch nicht verwunderlich, dass ich Desöfteren wenn ich meine „grüne Tracht“ trage auf die Jagd angesprochen werde. Aussagen wie: „Sie sind Jäger, dann töten sie ja auch Tiere!“ werden häufiger getroffen. Wir Jäger müssen uns eingestehen: Hier liegt der Hauptgrund für das Misstrauen und die Ablehnung, die uns manchmal entgegenschlagen. Dem, der die Wurst und das Fleisch nur als Endprodukt aus der Ladentheke kennt, kann diese Aussage nicht verübelt werden. Ich habe noch die Zeit der Selbstversorgung per Hausschlachtung, Kaninchen-, Hühner- und Taubenhaltung erlebt. Damit verbunden war die prägende Erkenntnis, dass ein Lebewesen für einen „vollen Teller“ sein Leben lassen musste. Ich verstehe und respektiere daher diese Vorbehalte; ich lasse die emotionale Ablehnung stehen und versuche unser Tun zu erklären.

Das Töten ist Teil der Jagd. Salvador de Madariaga, ein spanischer Diplomat und Autor, hat es mit dem stimmigen Satz ausgedrückt: „Ich jage nicht, um zu töten; ich töte, um gejagt zu haben“. Das Strecken (Schießen) eines Stück Wildes hat so wenig mit Lust zu tun, wie das Pflücken eines reifen Apfel im Herbst. Als waidgerechter Jäger tue ich es eher selten, mit Bedacht, möglichst nie impulsiv oder überhastet. Ich spreche das Stück Wild genau an, d.h. ich mustere es genau. Entspricht es den Auswahlkriterien, die der Abschussplan und die mir selbst auferlegten waidmännischen Regeln definieren? Steht das Tier so, dass ich einen sicheren Schuss anbringen kann, der schneller und mit weniger Leiden wirkt als jeder Tötungsvorgang im Schlachthof?

Was ist Jagd noch? Jagd ist Handwerk. Ich übe mich in Fertigkeiten, die der moderne Mensch in seiner arbeitsteiligen Welt längst nicht mehr beherrscht: pirschen, schiessen, das getötete Wild versorgen, das erbeutete Tier aus der Decke schlagen und zerwirken, Hunde führen, das Horn blasen, Feuer anfachen, kochen. Wer so wieder einmal die ganze Nahrungskette durchdekliniert, isst und geniesst mit einem anderen Gefühl und einem neuen Bewusstsein.

Jagd ist aber auch Tradition. Ich lese Fährten, prüfe den Wind, deute Schuss- und Pirschzeichen, lege Brüche, blase Jagdhorn und bewahre so alte Kulturtechniken für die Nachwelt. Jagd ist ein Teil unserer menschlichen Aktivität und gehört als uralte Kulturtechnik zu unserem Erbe. Nicht umsonst gibt es Anstrengungen, die Falknerei als Teil der Jagd, im Rahmen des Programms – „Memory of the World“, Gedächtnis der Welt – als immaterielles Kulturerbe zum Weltkulturerbe zu erklären.

Als Jäger zähle ich mich mit Überzeugung und mit Recht zu den Naturfreunden und -schützern. Jäger gehören unter den vielen Ausübenden von Sommer- und Winteraktivitäten in unseren Wäldern zu der Minderheit, die die Natur nicht einfach nur konsumiert, sondern auch aktiv etwas für sie tut. Als Revierpächter verpflichtet sich der Jäger auf neun Jahre verbindlich zu nicht geringen Leistungen. Dabei ist es nicht einmal die Hauptsache, aber erwähnenswert, dass die Jäger zusammen mit den Fischern die Einzigen sind, die für ihre naturverbundene Passion bezahlen müssen und keine Subventionen verlangen. Wir Jäger engagieren uns in vielfältiger Weise und häufig zusammen mit den lokalen Naturschützern für Biotophegeprojekte aller Art, in der Revierpflege, der Wildunfallverhütung, der Fallwildbergung, der Bestandsregulierung, der Wildschadensabwehr, der Seuchenprävention und mehr. Ohne die Jäger wäre weder die Wiederansiedlung der Uhus und des Birkwildes, noch der Seeadler und der Luchse gelungen.

Jagd ist vieles in einem: gesetzlicher Anspruch, öffentliche Aufgabe und noble Selbstverpflichtung, ein ländlicher, aber nicht zwangsläufig konservativ geprägter Lebensstil.

 

Jagdhornbläser Visselhövede richten Hubertusgottesdienst 2023 aus

05.11.2023, 18Uhr St.Johannis-Kirche

Auch in diesem Jahr findet seitens der Jägerschaft Rotenburg e.V. der Hubertusgottesdienst statt. Die Jagdhornbläsergruppe Visselhövede lädt am Sonntag, den 05.11.2023 um 18 Uhr zum Hubertusgottesdienst in der St. Johannis-Kirche in Visselhövede ein.
Bereits ab 17.45 Uhr werden Gäste mit Musik und Fackelschein empfangen. In festlichem Ambiente steht der Dank Gottes für die Schöpfung im Mittelpunkt.
Vorbei kommen lohnt sich!