Der Leserbrief der Frau Rathjen liest sich, bezogen auf die Kernpunkte „Jagdschutz“, „Ausbildung von Jagdhunden“ und „Fütterungsverbot“, wie der Forderungskatalog des Bündnis90/Die Grünen, zur Änderung des Niedersächsischen Jagdgesetzes (NJagdG) und ist diesem sicher auch entnommen. Angereichert mit ein paar gängigen klischeehaften Argumenten der Jagdgegner und gewürzt mit ein paar vagen Andeutungen, wie „habe mitbekommen“ oder „wurde schon oft beobachtet“, wird hier fast die gesamte Palette der aktuellen jagdpolitischen Themen abgedeckt. Da ich als Jäger vieles aus einem anderen Blickwinkel sehe, diese Zeilen zur Verdeutlichung. Ich kann in der Kürze nicht auf alle Punkte des Leserbriefes eingehen, will jedoch meine Sicht der Dinge zumindest zu den Kernpunkten des Leserbriefes aufzeigen. Als besonderes Ärgernis empfinde ich jedoch die Überschrift des Leserbriefes, wobei diese womöglich nicht einmal von der Leserbriefschreiberin, sondern vom zuständigen Redakteur gewählt wurde.
Frau Rathjen schildert eingangs ihres Leserbriefes, sie habe selbst mitbekommen, dass manche Jäger nicht ganz nüchtern zur Treibjagd aufbrechen und spannt dann sofort den Bogen zu Jagdunfällen, bei denen z.B. Kühe und andere Tiere versehentlich erschossen wurden, weil sie für ein Wildschwein gehalten wurden, aber auch die eigenen Jagdhunde, Treiber und Jäger Kollegen verletzt wurden oder zu Tode kamen. Frau Rathjen bleibt uns schuldig, wann sie wen, „nicht ganz nüchtern“, hat zur Jagd gehen sehen. Sollte es in der Vergangenheit eine rechtliche Grauzone in Bezug auf Alkoholgenuss und Schusswaffengebrauch gegeben haben, hat das Bundesverwaltungsgericht hier mit Urteil vom Oktober 2014 Klarheit geschaffen. Wer von seiner Waffe in alkoholisiertem Zustand Gebrauch macht, rechtfertigt die Annahme, dass er im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig ist. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind es sicherlich Geschichten von Gestern, da sich kein Jäger einen derartigen Verstoß leisten kann, denn dieser kann zum Entzug des Jagdscheines führen. Sollte es einen Jäger gegeben haben, der diese Rechtsprechung in seinem Verhalten nicht berücksichtigt hat, hat die Schilderung im Leserbrief etwa den gleichen Informationswert, wie ein Polizeibericht, nachdem ein Lkw-Fahrer auf der BAB A1 mit 1,9 Promille auf dem Rastplatz Ostetal gestoppt wurde. Daraus zu schließen, die Lkw-Fahrer sind alkoholisiert auf den Straßen unterwegs, ist genauso abwegig wie die Annahme, Jäger gehen alkoholisiert auf Treibjagden.
Meines Wissens wurden hier im Landkreis weder versehentlich Kühe von Jägern erschossen, noch sind Treiber oder Jäger zu Tode gekommen. Es muss sich hier wohl um eine unzulässige Verallgemeinerung handeln. Im übrigen hat es nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes (StBA) im Jahr 2010 insgesamt 17 Todesfälle bei 6,4 Millionen legalen und ca. 20 bis 40 Millionen illegalen Schusswaffen gegeben. Auf die Jagd entfielen im gleichen Jahr 3 tödliche Unfälle (0,00083 Prozent) bei ca. 360.000 Jägern. Im Vergleich dazu gab es auf bundesdeutschen Straßen 3.648 Verkehrstote (0,007 Prozent) bei ca. 54 Millionen Führerscheininhabern und 7.500 tödliche Unfälle im Haushalt (0,009 Prozent) bei 81 Millionen Deutschen. Demnach ist es auf der Jagd etwa 10-mal sicherer als im Haushalt oder auf bundesdeutschen Straßen.
Ich möchte als nächstes das Thema Jagdschutz aufgreifen, da auch dieser Bereich im Hinblick auf eine Novellierung des NJagdG zu Diskussionen führen wird. Die von Frau Rathjen genannten Zahlen (tausende Hunde und 300.000 Katzen) werden zwar gern von Jagdgegnern zitiert, sind allerdings frei aus der Luft gegriffen und entbehren jeglicher Grundlage. Es gibt kein belastbares Zahlenmaterial zur Anzahl von im Rahmen des Jagdschutzes getöteten Hunden oder Katzen, da in den meisten Bundesländern, so auch in Niedersachsen, überhaupt keine Statistik geführt wird. Richtig ist, das NJagdG beinhaltet im Paragraph 29 - Jagdschutz, die Möglichkeit, als allerletztes Mittel auch wildernde Hunde und verwilderte Hauskatzen zu töten. Um es zu verdeutlichen, es geht hier nicht um Nachbars „Kater Mikesch“, der durch die Gärten schleicht, sondern um verwilderte Hauskatzen, die fern jeder Siedlung in der frei lebenden Tierwelt nach Beute jagen. Die Hauskatze ist ein domestiziertes Raubtier, dass außerhalb von Siedlungen, in der freien Natur, als Haustier nichts zu suchen hat. Nach Schätzungen der Tierschutzverbände gibt es in Deutschland etwa 10 Millionen Hauskatzen und mehr als zwei Millionen verwilderte Katzen. Es gibt mehrere internationale Studien zum Beuteverhalten der Hauskatze. Auf diesen Studien basierende Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass die verwilderten Hauskatzen unter anderem jährlich Millionen Singvögel in Deutschland erbeuten. Ein Problem, bei dem im Übrigen nicht nur wir Jäger, sondern auch andere Naturschützer, wie z.B. der NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann, Handlungsbedarf sehen. Die Besitzer eines Hundes oder einer Katze haben dafür die Verantwortung zu übernehmen, dass ihr Haustier in der Natur keinen Schaden anrichtet. Es gibt keinen Zwei-Klassen-Tierschutz, der des deutschen Liebling einen höheren Schutzstatus einräumt, als einem streng geschützten Singvogel oder einem Rebhuhn. Die Jägerschaft befürwortet deshalb das „Paderborner Modell“, das an die Verantwortung der Haustierbesitzer appelliert. Demnach sollten Hauskatzen gemeldet und kastriert sein, wenn sie nicht zur Zucht verwendet werden. Für Jäger stellt das Töten von Haustieren im Rahmen des Jagdschutzes das allerletzte Mittel dar, um Schaden von Wildtieren abzuwenden. In siedlungsfernen Räumen ist das Töten von verwilderten Haustieren häufig jedoch alternativlos, da man ihnen auf anderem Wege nicht habhaft wird.
Zum Thema Jagdhundeausbildung schreibt Frau Rathjen, dass diese teilweise sehr fragwürdig ist, da es Fälle gibt, wo bekannt wurde, das Jagdhunde an lebenden Tieren ausgebildet wurden. Sie will hier sicher auf die Forderung hinaus, die Jagdhundeausbildung an der lebenden Ente oder dem lebenden Fuchs zu verbieten. Aus Sicht der Jäger ist der Einsatz von Jagdgebrauchshunden bei fast allen Jagdarten unumgänglich und verlangt hervorragend ausgebildete Hunde mit hoher Qualifikation. Aber nur eine praxisgerechte Ausbildung der Jagdhunde gewährleistet eine tierschutzkonforme Jagdausübung. Eine praxisgerechte Ausbildung kann nur gewährleistet werden, wenn für die Einarbeitung die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind. Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen sind die Arbeiten an der lebenden Ente, in Schliefenanlagen (künstlicher Fuchsbau) und die Einarbeitung in Schwarzwildgattern erforderlich und – wenn fachlich korrekt ausgeführt - tierschutzgerecht. Die Ente wird kurzzeitig mittels einer Papiermanschette flugunfähig gemacht und kann anschließend abtauchen oder sich im Schilf verbergen. Der Jagdhund hat sie nun zu finden und zu apportieren. Wird sie nicht geschossen, erlangt sie nach aufweichen der Papiermanschette ihre Flugfähigkeit zurück. Bei der Ausbildung in der Schliefenanlage kommt ein handzahmer Fuchs zum Einsatz, der mit dem Jagdhund allerdings zu keiner Zeit in Berührung kommt. Der Jagdhund soll hier lernen sich in einem Fuchsbau zurechtzufinden und den Fuchs aus dem Bau zu jagen. Ähnlich wie in der Schliefenanlage, leben im Schwarzwildgatter zahme, von Hand aufgezogene Wildschweine, allerdings in einem Freigehege. Großzügiger Auslauf, Ruhezonen und viel naturnahe Vegetation sind Grundlage einer artegerechten Haltung. Die Jagdhunde sollen dort lernen, dass sie Abstand vom Wild halten müssen, um sich und das Tier nicht zu gefährden. Ein brauchbarer Jagdhund muss ein Wildschwein beharrlich in Bewegung halten, soll es aber nicht blindlinks attackieren. Die Ausbildung von Hunden an lebendem Wild ist nur für solche Jagdhunderassen erforderlich, deren Aufgabengebiet konkret diese Ausbildung verlangt.
Frau Rathjen fragt, warum gibt es im NJagdG den Paragraphen 32 – Füttern? Dem Tierschutzgesetz ist das ausdrückliche Bekenntnis zum ethischen Tierschutz vorangestellt. Das Tier wird um seiner selbst willen geschützt, und zwar als Träger eigener Güter wie Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit und Wohlbefinden. Zum Wohlbefinden gehört auch das Vorhandensein ausreichender artgerechter Nahrung. Bei längerfristigem Nahrungsmangel können in Notzeiten, z.B. trotz der physiologischen Anpassung der Wildtiere an die winterliche Nahrungsknappheit, Leiden oder Schäden im Sinne des Tierschutzgesetzes auftreten, sodass sich die Frage nach einer Fütterung stellt. Diesem Umstand wird im NJagdG mit dem Paragraph 32 Rechnung getragen. Das Füttern von Wild ist danach nur ausnahmsweise erlaubt, um echten Notlagen begegnen zu können. Unter Notzeit wird z.B. die Zeit nach einem Hochwasser, nach Waldbränden, vor allem aber die Zeit extremer Winterwitterungslagen, wie sie regelmäßig in höheren Gebirgslagen vorkommen, verstanden. Auch hier gilt, dass es aus ideologischen Gründen keinen Zwei-Klassen-Tierschutz geben kann. Warum sollen Jäger Wildtiere in Notzeiten einfach verhungern lassen, während die Bürgerin und der Bürger jeden Winter im Park und Zuhause Enten, Igel und Singvögel ohne Einschränkungen füttert?
Wenn der Kreisjägermeister in seinem Interview vom Engagement der Jäger für Wildtiere und Umwelt, sowie den Natur- und Artenschutz spricht, meint er die finanzielle Unterstützung und auch die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensraumes für die Tierwelt unserer Kulturlandschaft. Als Beispiel seien genannt, die Anlage von Hecken und Feldgehölzen, Obstbaumreihen und Obstweisen, Feuchtbiotopen, von Säumen und Reinen und an erster Stelle das Blühstreifenprojekt der Jägerschaften. Bei den Artenschutzmaßnahmen handelt es sich um Monitoring-Programme und Artenschutzprojekte der Jägerschaften zugunsten streng geschützter Arten, wie z.B. Seeadler, Fischotter und Seehund. Im weitesten Sinne gehört hierzu natürlich auch die Beseitigung einer wilden Müllkippe. Dazu gibt es allerdings anzumerken, dass der Jagdpächter mit seiner Pacht weder Grund und Boden noch sonstiges Eigentum an den Flächen in seinem Revier erwirbt. Er hat lediglich das Jagdausübungsrecht und darf sich das darauf befindliche Wild aneignen. Die wilde Müllkippe ist also zunächst einmal dem Grundeigentümer zuzuordnen. Wenn der Jagdpächter sie nicht gesehen hat oder nicht sehen wollte, wäre es nach einigen Wochen auch an Frau Rathjen als umweltbewusste Bürgerin gewesen, sich dieser wilden Müllkippe anzunehmen und z.B. den Grundeigentümer darüber in Kenntnis zu setzen, statt zu warten, bis der Pächter das nächste Mal an der wilden Müllkippe vorbei fährt.