Unsere größte heimische Wildart, das Damwild, beginnt Anfang Oktober mit seinem Brunftgeschehen. Diese Ereignis soll Anlass sein, dem interessierten Leser wissenswertes über diese heimische Hirschart zu berichten. Das Damwild, mit wissenschaftlichen Namen „Dama dama“, hat was seine Ausbreitung betrifft, bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Das bereits im letzten Interglazial in unserer Region heimische Damwild wurde in der folgenden Kaltzeit aufgrund der massiven Veränderung des Lebensraumes aus dem gesamten mitteleuropäischen Raum verdrängt. Die Rückeroberung erfolgte Dank menschlicher Hilfe etwa seit der Zeit der Völkerwanderung. Es wurde in dieser Zeit aus Vorderasien über England und Dänemark wieder in seinen ehemaligen Lebensbereichen Mitteleuropas angesiedelt, um zunächst den Feudalherren als Gatterwild und für herrschaftliche Jagden zu dienen. Die Regionale Verbreitung wurde damit weitgehend von der Zufälligkeit früherer Besitzverhältnisse beeinflusst.
Bei uns in Niedersachsen erfolgte die Wiederansiedlung erst unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg. Im Landkreis wurden von 1934 bis 1940 insgesamt 57 Stück Damwild in den Bereichen Luhne, Trochel, Wedehof und Spange, zunächst in Gattern von 2—11 ha Größe, ausgewildert. Aus dieser geringen Anfangspopulation hat sich in den zurückliegenden 80 Jahren der heutige Bestand entwickelt, der unseren Landkreis inzwischen zu der „Damwildhochburg“ in Niedersachen macht.
Begünstigt wurde diese Entwicklung unter anderem durch den Umstand, dass Damwild nur geringe Ansprüche an seinen Lebensraum stellt. Eine besondere Rolle dürfte aber die gravierende Verbesserung des Äsungsangebotes spielen. Der vermehrte Anbau von Energiepflanzen, wie Mais, Raps und Getreide und Schlaggrößen von bis zu 100 Hektar fördern die Bestandsentwicklung ebenso wie die nahezu jährlich auftretenden Baummasten und die in den letzten Jahrzehnten ausbleibenden strengen Winter. Insbesondere die Einführung der sog. „00-Raps-Sorte“ in den 80er-Jahren, der die Bitterstoffe weggezüchtet wurden, eröffnete dem Damwild ein enormes zusätzliches Nahrungsangebot. Die bessere Kondition des Damwildes zeigt sich u.a. in vermehrt auftretenden Zwillingsgeburten.
Das Damwild, das neben dem Rothirsch, dem Elch, dem Ren und dem Rehbock zur Familie der Echthirsche gehört, unterscheidet sich von diesen Hirscharten durch einige augenfällige Merkmale. Seine Jugendzeichnung, die weißen Punkte der Decke, behält es in der Sommerzeit sein ganzes Leben lang bei. Sein langer Wedel erinnert an den nordamerikanischen Weißwedelhirsch. Auffällig ist auch der Größenunterschied der Geschlechter, der als Geschlechtsdimorphismus bezeichnet wird. Schaufler können fast doppelt so viel wiegen, wie die weiblichen Alttiere. Es hat gut ausgeprägte Sinne. Es kann sehr gut äugen (sehen), aber auch gut vernehmen (hören) und winden (riechen). Eine weitere Besonderheit gibt es bei seiner Fortbewegung. Neben den von anderen Schalenwildarten bekannten Gangarten, wie ziehen (Schritt), trollen (Trab) und flüchten (Galopp), zeigt das Damwild während der Flucht so genannte Prellsprünge. Hierbei springt das Tier mit allen vier Läufen gleichzeitig in die Luft. Es orientiert sich beim hohen Sprung und macht gleichzeitig andere Rudelmitglieder auf besondere Vorkommnisse aufmerksam.
Damwild lebt bevorzugt in lichten Waldbeständen mit hohem Anteil an Wiesen, Feldern und üppiger Bodenvegetation. Auf den Freiflächen findet es sich in bei entsprechender Ruhe auch tagsüber zum Äsen und Ausruhen zusammen, bevor es die angrenzenden Wälder als Einstände (Rückzugszone) aufsucht. Das weibliche Damwild bildet Familien, die sich zu Rudeln zusammenfinden. Gleiches Verhalten zeigen auch die mehrjährigen Hirsche. Diese Rudel lösen sich zur Brunft auf. Die Brunft beginnt Anfang Oktober und erreicht zum Ende des Monats den Höhepunkt. Das Kahlwild (weibliche Tiere) zieht zu den Brunftplätzen der Hirsche, die auf diesen Plätzen so genannte Brunftkuhlen schlagen. Untersuchungen haben ergeben, dass Damwild über einen langen Zeitraum immer wieder dieselben Brunftplätze aufsucht. So konnte an verschiedenen Plätzen für einen Zeitraum von 50 Jahren Brunftgeschehen nachgewiesen werden. Auch wenn der Brunftschrei unseres heimischen Damhirsches nicht von der gleichen Ausdrucksfähigkeit, wie der eines Rothirsches ist, stellt sich das Geschehen am Brunftplatz als ganz besonderes Schauspiel dar. Der Brunftschrei ist als rasselnd, schnarrend oder rülpsend zu umschreiben. Damhirsche schreien bevorzugt in den Morgen- und Abendstunden, weniger in der Nacht. Waldspaziergänger, die sich jetzt sehr ruhig verhalten, haben gute Chancen die Brunft der Damhirsche mit zu erleben.
Damwild zieht auf Grund der Brunft viel umher. Da es im gesamten Kreisgebiet verbreitet ist, ist es keine Seltenheit, dass jetzt einzelne oder mehrere Tiere hintereinander eine Straße passieren und die Gefahr durch Wild-Verkehrsunfälle morgens und abends in der Dämmerung ist besonders hoch. Die Jägerschaft appelliert daher an die Verkehrsteilnehmer, sich während der Damwildbrunft vor allem in den Dämmerungsstunden besonders vorsichtig im Straßenverkehr zu bewegen und auf wechselndes Wild zu achten.