Bei klirrender Kälte und herrlicher Winterlandschaft folgten sieben Falkner der Einladung des Deutschen Falkenordens, vertreten durch Herbert Meyer, Falkner aus Ottingen, zu einer revierübergreifenden Krähenjagd, um die hohe Kunst der Beizjagd auszuüben. Zur Begrüßung am Samstagmorgen, den 6. Februar 2010 in Hiddingen, waren auch der Vorsitzende der Jägerschaft Rotenburg (Wümme), Ulrich Voß und einige Hegeringleiter erschienen, um allen Beteiligten ein erfolgreiches Wochenende bei dieser nicht alltäglich zu beobachtenden Form der Jagd zu wünschen.
Ein Blick in die Menschheitsgeschichte beweist, ohne die Jagd hätte der Mensch nicht überlebt, und wir wären in unserer evolutionären Entwicklung nicht da, wo wir heute sind. Nur Jagend und dem Beutetrieb folgend, konnte die vorgeschichtliche Sippe mit ausreichend Nahrung versorgt werden. Die Jagd ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Menschheitsgeschichte. Vom Neandertaler über die fürstlichen Jäger bis hin zum modernen Waidmann haben Menschen aller Epochen Tiere erlegt, die Beute genutzt und das Jagen als Handwerk und Kunst weiterentwickelt. Die Entwicklung der Jagdwaffen und Jagdarten ist untrennbar mit dieser Entwicklung verbunden.
Von den heute noch gebräuchlichen Jagdarten hat die Beizjagd die längste Tradition. Bereits Aristoteles (384-322 v. u. Z.) erwähnt die Falknerei und die Kunst der Beizjagd bei den Thrakern und Indern. Es waren wohl die Vandalen, die während der Völkerwanderung auf ihren Zug aus dem Weichselgebiet nach Spanien die westlichen Völker mit der Falknerei bekannt gemacht haben. Während die Beliebtheit der Falknerei während der Zeit der Karolinger (751- 987) stark nachließ, erlebte sie im Rahmen neuer östlicher Kontakte infolge der Kreuzzüge (1095/99) eine neue Blütezeit und entwickelte sich dabei zu einem Privileg und Statussymbol des Adels.
Im Europa des Absolutismus erlebte die Beizjagd als privilegierte und prestigeträchtige Jagdart ihre Hochphase. Als Zeichen von Macht und Reichtum galten die von den herrschenden Häusern Europas mit großem personellem und finanziellem Aufwand betriebenen Falknereien und Falknerkorps. Nahezu alle höfischen Falknereien in Europa wurden von niederländischen Berufsfalknern betrieben. Durch diese Besonderheit der geschichtlichen Entwicklung der Falknerei ist die deutsche Falknersprache noch heute sehr stark mit holländischen und flämischen Begriffen durchsetzt. Mit dem Niedergang der höfischen Falknerei gegen Ende des 18. Jahrhunderts geriet auch die Beizjagd zunächst wieder in Vergessenheit.
Im Europa der Gegenwart kam die Falknerei erst nach dem I. Weltkrieg wieder zu bescheidenen Anfängen. In Deutschland wurde 1923 in Leipzig der Deutsche Falkenorden gegründet. Nach dem II. Weltkrieg ging es mit der Falknerei weiter aufwärts. So wurde 1959 als zweiter Verband, der Orden Deutscher Falkoniere und 1990, der Verband Deutscher Falkner gegründet.
Wer heute in Deutschland Beizjagd betreiben will, muss zunächst eine reguläre Jägerprüfung absolvieren und danach einen Falknerjagdschein erwerben, da die Beizjagd dem Jagdrecht unterliegt. Der Falkner der Gegenwart rekrutiert sich aus allen Bevölkerungsschichten und längst hat auch die Frau die einstige reine Männerdomäne erobert.
Die Beizjagd wird heute noch genau so ausgeübt wie vor Tausenden von Jahren. Die Abrichtmethoden und Ausrüstungsgegenstände sind die gleichen wie damals. Nur handelt es sich heute um gezüchtete und behördlich registrierte Greifvögel. Und der moderne Peilsender, mit deren Hilfe man seinen verstoßenen (entflogenen) Jagdkumpanen wieder finden kann, ist dazu gekommen. Die Beizjagd ist eine faire Jagdart. Entweder fängt der Vogel seine Beute oder sie entkommt unbeschadet. Von 6-8 Versuchen klappt vielleicht einer, so dass hauptsächlich krankes, schwaches oder unerfahrenes Wild gefangen wird. Der Begriff "beizen" kommt im übrigen aus dem Mittelhochdeutschen und heißt so viel wie "beißen machen", "beißen lassen".
Die Beizjagd galt an diesem Wochenende der Rabenkrähe. Eingesetzt wurden vier Falken und drei Habichte. Bei der Beizjagd jagt der Greifvogel von der Faust des Falkners einen Krähenschwarm an. Er ist in der Lage, aus dem Schwarm die schwächste Krähe herauszulesen und diese zu schlagen.
Da viele Revierinhaber im Altkreis an diesem Wochenende ihr Einverständnis zur Bejagung der Krähen gaben, konnte an beiden Tagen, aufgeteilt in zwei Gruppen, ganztägig die Beizjagd in den Revieren betrieben werden. Jäger und andere interessierte Beobachter ließen es sich nicht nehmen, den Falknern und ihren Greifvögeln bei dieser nicht alltäglichen Form der Jagd zuzusehen. Der Ablauf der Beizjagd stellte sich dem Beobachter wie folgt dar:
Bei den entsprechenden Krähenbildern (vorhandenen Schwärmen), - für den Habicht bis etwa 80m Entfernung und dem Falken 100 bis 200m (kein Wald in der Nähe) - wurde der Greifvogel zum Flug freigegeben. Hatte der Vogel die Beute erfolgreich geschlagen, durfte er seinen Erfolg eine Zeitlang genießen und von der Beute atzen (fressen), bis der Falkner ihn zurück auf die Faust nahm. Auf dem Falknerhandschuh wartete dann das Fauststück (eine weitere Belohnung ). Die Greife durften allerdings während der Jagd nicht zuviel Nahrung aufnehmen, da sie sonst für weitere Flüge an diesem Tag nicht mehr eingesetzt werden konnten. Beeindruckend auch, wenn der Vogel nach einem erfolglosen Jagdflug zurück auf die Faust des Falkners kehrte. In der Falknersprache heißt das, der Vogel hat einen guten Apell, ist locke (zahm, vertraut). Die Jagdflüge der Vögel waren immer wieder ein ganz besonderes Schauspiel.
Am Sonntag gegen 17.00 Uhr endete die Beizjagd mit dem traditionellem Strecke legen vor dem Gasthaus Röhrs, in Hiddingen. Im Ergebnis konnten 16 Krähen auf der Strecke unter Jagdhornklängen verblasen werden. Erfolgreiche Beizjagd zeichnet sich weder durch hohe Streckenzahlen aus, noch kennt sie einen Trophäenkult. Die Trophäen des Beizjägers sind die schönen Jagdflüge, seltene Jagdanblicke und die tiefe Befriedigung, nach einem erfolgreichen Jagdflug seinen Schützling wieder auf die Faust nehmen zu können. Es ist die Liebe zum Greifvogel und das Eingebundensein in sein natürliches Jagdverhalten, das den Falkner fasziniert und umtreibt. Ein guter, spektakulärer Jagdflug mag deshalb zuweilen befriedigender sein als ein schnell gebeiztes Stück Wild. Und doch kommt auch die Beizjagd nicht ohne regelmäßigen Jagderfolg aus. Beim nachfolgendem Erfahrungsaustausch wurde man sich schnell einig: im nächsten Jahr wird es wieder eine gemeinsame revierübergreifende Krähenbeizjagd im Landkreis Rotenburg (Wümme) geben.