Wenn im Wonnemonat Mai das saftige Gras mit dem Gelb des Löwenzahns um die Wette leuchtet, bringen viele Wildtiere ihren Nachwuchs zur Welt. Im dichten, hohen Gras versteckt das Muttertier ihr Junges vor dem Raubwild. Die Gefahr, dass ein Fuchs die Witterung aufnehmen kann ist dort sehr gering. Gegen die natürlichen Feinde weiß sich das Wild zu schützen, aber der Gefahr die ihnen von Mensch und Maschine droht sind sie hilflos ausgeliefert.
Auch wenn sich das Wild während hunderttausenden von Jahren an seine Feinde angepasst und Strategien entwickelt hat, die den frisch gesetzten Jungtieren ein Überleben ermöglichen, gegen den rasanten Fortschritt in Landwirtschaft und Technik hat es nur eine geringe Chance. Die Landwirtschaft steht zunehmend in einem sich verschärfenden globalen Wettbewerb. Dieser zwingt die Landwirte zu intensiveren Bewirtschaftungsmethoden.
Die Maschinen werden immer größer und schneller, die Wiesen werden immer häufiger und früher im Jahr gemäht. Der sich für das Wild daraus ergebende Konflikt soll am Beispiel des Rehwildes aufgezeigt werden. Für das Rehwild fallen im Mai zwei unvereinbare Termine zusammen: Die Setzzeit und die Wiesenmahd in der Landwirtschaft. Schnellwüchsige Grassorten und Düngereinsatz erlauben einen immer häufigeren Schnitt. Die Schnitttechnik hat sich grundlegend verändert. Die Mähgeschwindigkeit ist heute bereits so hoch, dass sich das Jungwild nicht mehr in Sicherheit bringen kann.
Doch gestalten wir das Beispiel anschaulicher und damit auch realitätsnaher: Nichts ahnend liegt das Rehkitz im Gras, als der Traktor mit dem Mähwerk kommt. Mit hoher Geschwindigkeit rattern die rotierenden Messer auf das kleine Tier zu, das sich seinem angeborenem Instinkt folgend drückt und nicht rührt. Durch sein geflecktes Fell und das hohe Gras ist das Kitz so gut getarnt, dass der Landwirt es nicht sieht. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. Die Landwirte befinden sich damit im Dilemma zwischen dem ökonomischen Druck und den ökologischen Folgen ihres Handelns. In diesem Sinne sind Landwirte auch nicht Täter, sondern Partner bei der Suche und Umsetzung von Lösungen.
Jahr für Jahr fallen im Frühling Tausende von Wildtieren, hier insbesondere Rehkitze, Junghasen und Gelege von wiesenbrütenden Vögeln der Mahd der Wiesen zum Opfer. Wie viele es genau sind, weiß niemand, doch Schätzungen gehen von einer Größenordnung von über 500.000 Tieren aus. Darunter befinden sich allein 90.000 Rehkitze. Etwa fünf Millionen Hektar Fläche werden in Deutschland als Grünland von der Landwirtschaft genutzt. Die Flächen werden entweder mit Tieren beweidet oder gemäht, um Heu oder Grassilage zu gewinnen. Wiesen und Weiden sind jedoch nicht nur landwirtschaftliche Produktionsflächen, sondern auch unverzichtbarer Lebensraum unzähliger großer und kleiner Wildtiere.
Unser Landkreis Rotenburg verfügt über ca. 33.000 Hektar Grünland. Hochgerechnet auf die Zahlen auf Bundesebene, fielen im Kreisgebiet damit allein ca. 600 Rehkitze der jährlichen Grasmahd zum Opfer. Durch geeignete Maßnahmen lassen sich diese Verluste deutlich verringern. Deshalb richtet die Jägerschaft Rotenburg folgende Bitten an die Landwirte und Jagdausübungsberechtigten:
Der Jagdausübungsberechtigte sollte zwei bis drei Tage vor Mähbeginn benachrichtigt werden, insbesondere wenn es sich um Wiesen handelt, wo in den Vorjahren Wild bevorzugt seinen Nachwuchs abgelegt hat. Er kann dann mit geeigneten Mitteln dafür sorgen, dass beispielsweise die Ricken mit ihren Kitzen die Wiese verlassen.
Der Schutz vor dem Ausmähen kann durch vorbeugende Maßnahmen, wie das Aufstellen von optischen und akustischen Wildscheuchen erfolgen. Der Nachteil aller Vergrämungsmethoden ist aber der Gewöhnungseffekt für das Wild. Deshalb sollte man alle Vergrämungsmittel erst am Nachmittag vor der Mahd ausbringen.
Die Scheuchen zur Wildrettung kann sich jeder ohne großen Aufwand selbst anfertigen. Für das Grundgerüst verwendet man etwa armdicke Fichtenstangen. Einfach eine Stange auf 2,50 Meter ablängen und auf einer Seite anspitzen. Danach nagelt man auf das stumpfe Ende einen Querholm von 0,50 Meter auf. Mit der Spitze wird das Gestell in den Boden getrieben. Nun stülpt man einen dünnen Müllsack über das Ganze. Man sollte nur dünne Säcke verwenden, da diese im Gegensatz zu den steifen Düngersäcken im Wind rascheln und so zu der optischen eine akustische Wirkung hinzukommt.
Als weitere Maßnahme kommt das Absuchen der Flächen durch den Jäger mit brauchbaren Hunden vor dem Mäheinsatz in Frage. Dabei gefundene Kitze oder Junghasen werden aus der Gefahrenzone gebracht, gefundene Gelege werden aufgenommen und von einer Glucke oder in einer Brutmaschine ausgebrütet. Die Wittrung des Hundes hält die Ricke darüber hinaus davon ab, dass Kitz wieder in die Wiese zu führen.
Beim Mähen sollten sofern vorhanden, Wildretter zum Einsatz kommen. Diese am Kreiselmäher befestigten federnd gelagerten Kunststoff oder Metallstäbe durchkämmen mit sanftem Druck das Gras, bevor es gemäht wird.
Die Wiesen sollten unbedingt von innen nach außen gemäht werden. Das Mähen von innen nach außen erleichtert Wildtieren die Flucht, denn sie laufen bei Gefahr nicht über bereits gemähte Flächen das verbietet ihr Instinkt. Große Schläge sollten überdies am Vortag rundherum angemäht werden, um das Wild zu beunruhigen und zur Flucht zu veranlassen.
Gefundene Rehkitze sollten generell nicht angefasst werden. Wenn das Kitz nach Menschen riecht, nimmt es die Ricke nicht mehr an. Stattdessen die Hände vorher mit Gras abreiben, Grasbüschel zwischen Hände und Kitz nehmen und das Kitz an einer geschützten Stelle ablegen. Die Ricke holt es dort bald wieder ab.
Auch für den Fall, dass trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ein Kitz in die Maschine gerät, den Jagdausübungsberechtigten benachrichtigen. Es muss nämlich auf den Abschuss angerechnet werden.
Eine effektive Jungwildrettung ist nur möglich, wenn die Landwirte mit den Jägern eng zusammenarbeiten. Die Jäger sind darauf angewiesen, dass ihnen der Bauer rechtzeitig den Mähtermin bekannt gibt. Vielerorts ist es heutzutage glücklicherweise üblich, dass die Landwirte dem Revierinhaber Bescheid geben, bevor sie mit dem Mähen beginnen. Die Jägerschaft weist in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf hin, dass eine Straftat nach dem Tierschutzgesetz begeht, wer die Verletzung und Tötung von Jungwild durch Ausmähen als möglich voraussieht, gleichwohl aber keine geeigneten Verhinderungsmaßnahmen (wie zuvor aufgeführt) trifft und trotzdem das Mähen durchführt.