Parlament und Rat der EU haben mit dem so genannten EU-Hygienepaket die rechtlichen Grundlagen für die Lebensmittelhygiene bei der Gewinnung, weiteren Behandlung und Vermarktung von Wildbret umfassend neu gestaltet. Das zuständige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat mit einer Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechtes die seit 1. Januar 2006 in Deutschland unmittelbar geltenden EU-Vorschriften ergänzt. Diese Verordnung wurde am 6. Juli 2007 vom Bundesrat verabschiedet und tritt mit Veröffentlichung im Gesetzesblatt, voraussichtlich im August 2007, in Kraft.
Dr. med. vet. Friedrich Bert aus Rüsselsheim hat im Folgenden zusammengestellt, was sich für die Jägerinnen und Jäger ändert und was Sie beachten müssen.
Der Jäger kann bei der Abgabe kleiner Mengen ausgeweideten Wildes in der Decke oder ausgenom-menen Federwildes im Federkleid Ausnahmen von den Pflichten, die ein Lebensmittelunternehmer zu erfüllen hat, in Anspruch nehmen. Hierzu einige Erklärungen zu wichtigen Definitionen:
Die kleine Menge ist auf die Strecke eines Jagdtages beschränkt.
Freilebendes Großwild ist die Bezeichnung für Schalenwild; Kleinwild umfasst Federwild, Feldhasen und Wildkaninchen.
Erlegen ist das Töten von Groß- und Kleinwild durch Abschuss nach jagdrechtlichen Vorschriften.
Die Ausnahmen für die Erzeugnisse aus der Jagd (entweder Primärerzeugnisse, d.h. erlegtes Wild, oder Fleisch von erlegtem Wild) sind geknüpft an die Direktabgabe
- für den privaten häuslichen Bereich,
- für kleine Mengen an den Endverbraucher oder
- für lokale Einzelhandelsgeschäfte mit unmittelbarer Abgabe an Endverbraucher.
Die Direktvermarktung über den örtlichen Einzelhandel kann im Umkreis von 100 km um den Wohnort des Jägers oder den Erlegungsort des Wildes erfolgen.
Die Hilfstätigkeit eines Metzgers beim Zerwirken in den Räumen des Metzgers darf der Jäger nach Meinung des Bundesverbraucherschutzministeriums nicht in Anspruch nehmen, weil die Direktabgabe vom Jäger an den Endverbraucher nicht erfolgen könne. Die Rückverfolgbarkeit des Wildfleisches in der Lebensmittelkette sei nicht mehr sichergestellt. Als Ausweg für Jäger bietet sich die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten und gegenseitige Unterstützung an. Es ist aber weiterhin möglich, bei Bedarf die Hilfe eines Metzgers in den entsprechenden Räumlichkeiten eines Jägers oder gemeinsam genutzten Wildkammern der Jäger in Anspruch zu nehmen.
Weiterhin sind die Ausnahmen für die Direktabgabe kleiner Mengen grundsätzlich nur möglich, wenn keine gesundheitlich bedenklichen Merkmalen vorliegen. Liegen gesundheitlich bedenkliche Merk-male vor, muss die dann erforderliche amtliche Fleischuntersuchung gegebenenfalls nach Beseitigung veränderter Tierkörperteile zur Beurteilung als "genusstauglich" geführt haben.
Die Primärproduktion Jagd endet mit dem Ende des Ausweidens; enthäutetes bzw. gerupftes Wild und ein zerwirktes Stück sind somit nicht mehr ein Primärerzeugnis, sondern Wildfleisch. Für die direk-te Abgabe von Wildfleisch gilt als begrenzender Faktor ebenfalls die kleine Menge, d.h. die Strecke eines Jagdtages.
Für Jäger, die Wild aus der Decke geschlagen, gerupft oder zerwirkt abgeben, spielen die Kriterien der Qualitätseigenkontrolle (auch HACCP genannt) keine wesentliche Rolle. Dort, wo Wild gekühlt wird, muss nur ein Thermometer vorhanden sein.
In den Fällen, in denen der Jäger gehäutetes und/oder zerwirktes Wild in kleinen Mengen abgibt, muss er registriert sein und vorstehende Hygiene-Mindestvorschriften bei der Abgabe von Wildfleisch einhal-ten. Was die Registrierung betrifft, so ist nach Meinung des Bundesverbraucherschutzministeriums eine einmalige Mitteilung z.B. durch eine Postkarte oder per E-Mail an die zuständige Behörde not-wendig. Die Länder können entsprechende Durchführungsregelungen erlassen.
Der Jäger kann Wildkörper und Wildfleisch an Einzelhandelsunternehmen (z.B. Metzgereien), die ver-edelte Produkte wie Wildsalami oder -schinken an Endverbraucher abgeben, oder an Gastronomiebe-triebe, die Wildgerichte zum Verzehr herstellen, liefern. Wild ist immer dann an Wildbearbeitungsbetrie-be (Wildgroßhandel) abzugeben, wenn nicht nur kleine Mengen also mehr als die Strecke eines Jagd-tages an Endverbraucher oder den Einzelhandel einschließlich der Gastronomie vermarktet werden.
Die Belieferung des Wildbearbeitungsbetriebes setzt voraus, dass der Jäger geschult und somit eine nach EU-Recht kundige Person ist. Die Schulung ist für die erste Untersuchung des Wildes vor Ort und die Sicherstellung der Wildbrethygiene erforderlich. Wer nach dem 1.2.1987 die Jägerprüfung ab-gelegt hat, ist gemäß den nationalen Bestimmungen bereits kundige Person; eine Schulung ist nicht erforderlich mit Ausnahme der neuen rechtlichen Bestimmungen. Das Bestehen der Jägerprüfung am 1.2.1987 oder früher führt nicht zwangsläufig zur Nachschulung. Da diese Jagdscheininhaber aber be-weisen müssen, dass sie ausreichend geschult sind, wird seitens des Bundesministeriums und des DJV eine freiwillige Nachschulung begrüßt. Die Landesjagdverbände bieten entsprechende Schulungen für alle Jäger an.
Die vorstehenden Ausführungen zur kundigen Person gelten auch für Jäger, die kleine Mengen Wild oder Wildfleisch abgeben.
Die Übertragung der Trichinenprobenentnahme von der zuständigen Behörde auf einen eigens vor-her geschulten Jagdausübungsberechtigten ist weiter möglich. Die geltende Rechtslage besteht weiter fort. Im Laufe des Jahres 2008 ist geplant, dass nicht nur Jagdausübungsberechtigte, sondern auch alle anderen Jäger die Schulung für die Trichinenprobenentnahme machen dürfen. Eine Gesetzesänderung wird hierzu folgen. Den Landesjagdverbänden wird empfohlen, die Schulungen zur kundigen Person auch auf die Trichinenprobenentnahmen auszudehnen.
Auch die Praxis, wonach im Falle der Entnahme von Proben eine Wildmarke am Wildkörper anzubrin-gen und die Nummer der Wildmarke auf einem Wildursprungsschein einzutragen ist, wird fortbeste-hen.
Die Untersuchungspflicht ist eng an die Tätigkeit der geschulten Person gebunden. Diese hat Wild vor und nach dem Erlegen auf für den menschlichen Genuss bedenkliche Merkmale (=gesundheitlich bedenkliche Merkmale) zu untersuchen und die hygienische Behandlung des Wildes bei der weiteren Bearbeitung sicherzustellen. Die bedenklichen Merkmale in der Anlage 4 Nr.1.3 der Tierischen Le-bensmittel-Hygiene-Verordnung entsprechen denjenigen in der ehemaligen Fleischhygiene-Verordnung und der Geflügelfleischhygiene-Verordnung aufgelisteten bekannten Symptomen. Das Erkennen und Feststellen der bedenklichen Merkmale ist die Grundlage für die nachfolgende amtliche Fleischuntersu-chung und Beurteilung der Genussfähigkeit des Wildbrets.
Fleisch von Groß- oder Kleinwild, das nicht durch Erlegen getötet worden ist, darf nicht in den Le-bensmittelverkehr gebracht werden.
Kleine Mengen von erlegtem Wild dürfen nur
- ausgeweidet oder
- nach Abschluss der amtlichen Fleisch oder Trichinenuntersuchung an Verbraucher abgegeben werden.
Die Behandlung des gestreckten Wildes bleibt hinsichtlich der hygienischen Parameter unverän-dert. Unverzügliches Aufbrechen, gründliches Auskühlen des Wildkörpers und Abtrocknen der Körper-höhlen, alsbaldiges Herunterkühlen auf die vorgegebenen Temperaturen und Inspizieren auf gesund-heitlich bedenkliche Merkmale sind bekannte Erfordernisse, die sich nicht verändert haben. Für weitere Untersuchungen ist die Kennzeichnung der Zugehörigkeit der Eingeweide zum Tierkörper unabdingbar.
Beim Zerlegen und Umhüllen von Wildbret ist sicherzustellen, dass die geforderten +7°C (Großwild) bzw. +4°C (Kleinwild) eingehalten werden. Es ist daher empfehlenswert, vor dem Zerwirken das Wild-bret stärker als gefordert herunterzukühlen.
Wildkammern sind als Räume zum Sammeln von Groß- und Kleinwild nach dem Erlegen definiert. Sie müssen über eine geeignete Kühleinrichtung und einen Platz zum Enthäuten und Zerlegen verfü-gen, wenn diese Tätigkeiten darin ausgeführt werden.
Es besteht ein generelles Einfrierverbot für Haarwild in der Decke und für ungerupftes und nicht ausge-nommenes Federwild. Das enthäutete Wildbret darf nicht mit dem Haarkleid oder dem Federkleid ande-rer Wildkörper in Berührung kommen.
Lagerung und Transport von Wildkörpern erlegten Wildes haben keine Änderungen erfahren. Wie bisher gilt für Großwild eine Temperatur von nicht mehr als +7°C, für Kleinwild von nicht mehr als +4°C.
Anmeldepflicht für die Fleischuntersuchung nach Feststellung von gesundheitlich bedenklichen Merkmalen und für die Trichinenuntersuchung besteht für den Eigenbesitznehmer im Sinne des § 872 BGB; das ist in der Regel der Jagdausübungsberechtigte; aber auch andere Jagdscheininhaber können anmeldepflichtig sein, wenn das Wild an sie abgegeben worden ist. Die Trichinenuntersuchung ist bei potenziellen Trichinenträgern (insbesondere Wildschweinen) immer Pflicht, auch wenn der Tierkörper ohne bedenkliche Merkmale ist.
Nicht anmeldepflichtig ist die Fleischuntersuchung für Jagdausübungsberechtigte im Falle der
- Eigenbesitznahme für den privaten häuslichen Bereich oder
- Abgabe an einen Betrieb des Einzelhandels oder an einen Jäger.
Die Anmeldepflicht geht auf die für den Betrieb verantwortliche Person oder den Jäger über.
Die Mitteilungspflicht über die Feststellung gesundheitlich bedenklicher Merkmale besteht für den Jagdausübungsberechtigten bei der Abgabe an einen Betrieb des Einzelhandels oder an einen Jäger.
Die hygienischen Mindestanforderungen an die Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen (Jagderzeugnissen) haben die Vermeidung einer nachteiligen Beeinflussung des Wildes zum Ziel. Ver-pflichtet ist derjenige, der kleine Mengen direkt an den Endverbraucher oder an örtliche Betriebe des Einzelhandels zur unmittelbaren Abgabe an Endverbraucher abgibt. Er hat in jedem Fall angemessene Maßnahmen zu treffen für
- die Instandhaltung, die Reinigung und die Desinfektion der Räume und Einrichtungen, die mit den
Jagderzeugnissen in Berührung kommen,
- die Sicherstellung der Produktions-, Transport- und Lagerungshygiene,
- die Trinkwasserhygiene,
- die Lagerung und Entsorgung von Abfällen und gefährlichen Stoffen.
Für den Jagdbetrieb könnten beispielsweise solche Mindestanforderungen sein:
- ein Zerlegeraum oder befestigter Platz zum Zerwirken,
- leicht zu reinigende Tische und Einrichtungsgegenstände aus korrosionsfreiem Material, Messer mit
Kunststoffgriffen, Schürzen und ähnliches
- Wasser von Trinkwasserqualität,
- Vermeidung der Berührung von Haar-/Federseite mit Fleischseite des Wildbrets,
- Raum- und Gerätereinigung nach dem Zerwirken,
- Verpacken, Kühlen und Einfrieren von Wildbret-Teilstücken,
- Verwendung von Einweghandschuhen.
Hygienedefizite werden unter Umständen mit Bußgeldern geahndet, wenn sie fahrlässig oder vorsätz-lich verursacht werden. Hierunter können Temperaturverstöße, Einfrieren in der Decke, Nichtenthäuten vor dem Inverkehrbringen, Nichtausweiden von Kleinwild, Lagern oder Befördern von Wild mit unver-packtem Fleisch, Mängel beim Aufbrechen, Versorgen, Untersuchen, Kühlen und Kennzeichnen fallen. Wer z.B. die Trichinenuntersuchung auch bei Selbstverwertung unterlässt, macht sich auch künftig strafbar.
DJV, Juli 2007